Guten Morgen Welt,

6 Uhr morges an einem Feiertag. Statt auszuschlafen, hocke ich an der Tastatur. Total bescheuert. Aber ich fühle mich auch ein bisschen getrieben: den Kopf voller Gedanken, alles muss raus. Freischreiben. Dann schlafe ich halt mittags noch mal.

Der zweite Monat ohne Alkohol hat begonnen, unglaublich. Es funktioniert, ja, aber es strengt an. Das nimmt sicher jeder, der sich auf diesen Weg begeben hat, anders wahr. Ich lese das in der Facebook-Gruppe, habe die verschiedenen Erlebnisse in der Online-Community der AA mitbekommen und dann gibt es diverse, leider aber zu wenige, Blogs und Bücher mit Erfahrngsberichten zu dem Thema. Reisebegleiter

Selbst mein nun schon zweiter (ernsthafter) Beginn aus der bewussten Entscheidung, nicht mehr trinken zu wollen, verläuft anders als der vor einem Jahr. Und als die anderen eher verzweifelten Versuche zuvor. Vor einem Jahr war ich sensibler, unruhiger, dünnhäutiger und versessener auf Süßes (Kompensation!) als jetzt. Kann auch daran liegen, dass ich damals gerade meinen neuen Job angefangen hatte, der mich gleichfalls extrem gefordert hat. Das tut er heute noch, aber Routine und mehr Gelassenheit begleiten mich.

What ever: Es braucht Rettungsinseln, die sich in Sichtweite auftun und an die wir uns im Notfall klammern können, wenn der Dämon in unseren Köpfen Platz nehmen will.

Das sind für mich:
– Sport / laufen (rennen wie der Teufel!) gehen / auspowern und schwitzen mit lauter Musik im Ohr – für mich auch eine Art von Meditation

– schlafen: Ich quäle mich nicht mehr durch den Abend, weil es erst 19 Uhr ist. Ich gehe ins Bett. Manchmal mit einem Buch, aber das ist meist unnötig. Ich kuschel mich unter meine Decke, lösche das Licht und es dauert nicht lange bis … / wenn meine Nacht dann gegen 4.30 Uhr zu Ende ist, stehe ich halt auf und erledige Dinge eben frühmorgens

– Tee trinken: „…eine schöne Tasse Tee…“, verspricht die Werbung und ich bin glatt drauf reingefallen. ;o)
Der allgemeinen Empfehlung, täglich ein bis zwei Liter Wasser oder Tee zu trinken, bin ich noch nie brav gefolgt. Wasser im Winter schmeckt mir einfach nicht. Im Sommer bei Durst ist das wieder anders. Aber nur so? Weil es für den Körper gut sein soll? Nö. – Aber mit Tee (Lieblingssorte „11 Kräuter“ vom Discounter) kann ich mich aktuell prima arangieren. Ich habe zu Hause und im Büro Thermoskannen, die eineinhalb Liter fassen. Die fülle ich hier oder dort und wechsel ab Mittag von Kaffee auf Tee. Statt nun abends beim Schreiben zum Weinglas zu greifen, nippe ich nun am heißen Kräutertee. Geht auch… (Und tut der Haut gut. Echt jetzt…)

– Kekse: Ich bin ein Krümelmonster. „Hauptsache, es bröselt“, lästert mein Freund über meine Kekssucht. Es ist wie es ist und allemal besser als Alkohol: Ich gebe dem Jieper nach Süßem nach und versuche aber, in Maßen zu naschen und mit Sport dagegenzuhalten.
Es ist paradox: die meisten Leute, die mit dem Rauchen aufhören, berichten von bis zu zehn Kilo Gewichtszunahme, weil statt der Fluppe plötzlich mehr Nahrung in den Mund gesteckt wird. Von Alkohol weiß man, dass er sehr kalorienhaltig ist (plus das Essen, was zusätzlich zum Wein/Bier vertilgt wird) und ich dachte, dass die Absinenz nun automatisch mit einem Gewichtsverlust einher ginge. Nö, erstmal nicht, wenn dem Zuckerdrang statt Alkohol stetig nachgegeben wird… Voriges Jahr hatte ich daher gut zugenommen, diese Mal möchte ich Balance halten: das Leben genießen, aber nicht in die nächste Suchtfalle tapsen. Und so habe ich mir gestern erneut ein leckeres Stück Mohnrolle gekauft und einen Teil davon zu einer Tasse Tee verputzt. Das war sooo lecker und ich hatte kein schlechtes Gewissen meiner Waage gegeüber. Warum auch? Stattdessen ja 600 Kalorien Wein nicht getrunken.

– schreiben: Schreiben ist Wortkunst, meine ich, und sammle schöne Wörter wie Simsalabim oder Sammelsurium. Als Journalistin bin ich sensibilisiert für besondere Texte, die mir begegnen. Der Blog hier ist eher ein anonymes Tagebuch, das zwar von der ganzen Internet-Welt mitgelesen werden könnte, aber keine (einen?) Follower und nur eine Handvoll Besucher hat. Das macht nichts, denn ich schreibe ja für mich, um den Kopf zu sortieren. Und wenn ich es wollte, dass es öffentlicher wahrgenommen wird, könnte ich das auch forcieren. Aber nö. Aktuell ist es gut wie es ist.

– Lesen! Das war schon immer mein Hobby, nur leider in den vergangenen Jahren auf der Strecke geblieben. Auch wegen des Alkohols, der mich am Abend träge und dusselig hat werden lassen. Ich war als Kind Dauergast in der Bibliothek und habe stapelweise Bücher heim geschleppt. Auch heute noch kaufe ich immer wieder Bücher, die ich gern lesen möchte. Meistens wandern sie erstmal ins Regal zu den xxxx anderen. Aber neuerdings lese ich wieder. So Bücher wie „Chianti zum Frühstück…“. Das ist eine der Rettungsinseln, aus denen ich viel Hoffnung schöpfe. Nun habe ich noch vier weitere Bücher zum Thema bestellt. Ich sortiere das alles nach und nach in die Rubrik „Reisebegleiter“ ein.

– Malen, zeichnen, drucken: Kunst ist genau mein Ding. Nicht nur gucken, sondern auch machen. Ich habe ein wenig Talent und riesigen Spaß daran, Karrikaturen zu zeichnen oder daraus Druckvorlagen zu fertigen und später auf Papier zu pressen. Das Equipement liegt bereit, nur die Zeit… Ich muss dringend Prioritäten setzen, rät mir mein Kind.

– Meditation: In einem Achtsamkeitskurs habe ich Atemtechniken und Yoga kennengelernt. Beides war sehr spannend, aber ich habe für mich gemerkt, dass ich zu ungeduldig bin, mit mir selbst über eine halbe Stunde lang durch den Körper zu spazieren. Oder ewig an nichts zu denken als an meinen Atem. Ich habe ein wunderbar gemütliches Yokakissen (extra hoch), auf dem ich aber schon ab und an mal vor dem Panoramafenster meines Wohnzimmers Platz nehme und dann für ein paar Minuten in den Himmel oder über die Gärten meiner Nachbarn schaue und Gedanken schweifen lasse.

Meine Inseln sind Kleinigkeiten, die für andere Menschen möglicherweise ganz normal zum Alltag gehören. Für mich aber Luxus sind, weil ich sie über die Jahre entweder  vernachlässigt oder nicht ernst genug genommen habe. Sie nun statt des Trinkens (wieder) in den Fokus zu rücken, ist ja auch eine Art von Prioritätenverschiebung. Und ein guter Anfang.

Was rettet euch?

Alles Liebe
Eliza