Guten Morgen Welt,

morgen noch und dann wechselt der Oktober in den November und der erste Monat ist tatsächlich ohne Alkohol gut vorübergezogen. Ist schon Wahnsinn und ich bin sehr stolz drauf , aber noch viel mehr einfach nur erleichtert, dass es gerade auch mental gut funktioniert.
Eines aber macht mich traurig (obwohl das einzig und allein auch meine „Verschulden“ ist): Außer hier, außer mit euch (wenn da überhaupt jemand mitliest) , teile ich diesen – ja, ich sag mal ‚Kampf‘ gegen die Dämonen – mit niemandem. Ich trau mich nicht. Bin zu feige, zu ängstlich und schäme mich unglaublich zu sagen „Du, ich bin alkoholabhängig, aber nun schon vier Wochen trocken und fest entschlossen, das auch zu bleiben.“

Wie gesagt, in meinem losen Umfeld käme sicher niemand auf die Idee, ich sei Alkoholikerin. Nie hat mich jemand von meinen Bekannten darauf angsprochen, dass ich zu viel trinken würde oder ob ich ein Problem damit hätte. Allerdings gehe ich zum Einen selten feiern, andererseits bin ich (gleich vielen von uns) eine Meisterin der Gaukelei: Bei Firmenfesten, auf dem Weihnachtsmarkt, zu Betriebsausflügen, Altweiberfeiern… habe ich mich meist nur an Wasser gehalten oder höchstens mal etwas Sekt oder ein halbes Glas Wein getrunken. Da wurde zwar scheel geschaut oder ab und an mal gelästert, aber nie, niemals würde da jemand auf andere Ideen kommen, denke ich.

Anders in der Familie: Da war mein Alkoholkonsum schon öfter mal ein Thema. So wie gestern. Ich hatte mir am Morgen das Buch von Clare Pooley „Chianti zm Frühstück…“ noch einmal rausgeholt und darin geblättert, um zu schauen, wie es ihr in den ersten Tagen und Wochen ging. Beim ersten Mal lesen hatte ich an verschiedenen Kapiteln bei wichtigen Themen Klebezettel eingefügt. Auch mein morgentliches Schreiben hat meinen 17-jährigen Sohn neugierig gemacht.
Am Abend lag das Buch gut sichtbar auf dem Küchentisch, obwohl ich es am Morgen weggepackt hatte. „Was ist das?“, wollte er wissen. „Hast du ein Alkoholproblem?“ Anstatt „Ja“ zu sagen, habe ich mich unglaublich geschämt vor ihm und konnte das einfach nicht zugeben. Stattdessen tat ich empört und meinte, ob er in meinen Sachen wühlen und mir nachspionieren würde. Das fände ich doof.
Die Situation hat mich wirklich überfordert, aber das ist ja erst der Anfang des Erwachsen werden wollens. Offen und ehrlich sein und Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen. Mein Sohn meinte nur recht lapidar, er würde es gut finden und unterstützen, wenn ich nicht mehr trinken würde. Da habe ich mich noch mehr geschämt, denn natürlich weiß er Bescheid. Er ist derjenige, der täglich mit mir zusammen ist und gesehen hat, wenn das Glas mit dem Wein immer gut gefüllt neben mir am Laptop oder wo auch immer in meiner Nähe stand. Er hat die leeren Flaschen im Altglasbeutel gezählt und mich in meinem betrunkenen Überschwang erlebt. Immer wieder gestichelt ‚Na, hast du wieder Wein getrunken?‘, wenn ich übermütig war oder manchmal hat er  einfach nur abschätzend geschaut. Das waren schreckliche Momente, in denen ich mich auch geschämt habe. Aber dann ob meiner Schwäche und meiner Sucht.

Ich war vor zwei Jahren mit meinen Söhnen (damals 30 und 16) im Urlaub und nach vier Tagen kommentierte mein Ältester: „Du hast bis jetzt jeden Tag eine Flasche Wein getrunken. Das ist eine Menge.“ In diesem Urlaub habe ich für meine Verhältnisse richtig viel konsumiert: Ich begann schon mittags in der Sonne auf der Terrasse beim Lesen mit dem ersten Glas Rotwein, gleich nach dem Kaffee. Oder mixte mir nach dem Strandausflug am Abend tückische Cocktails wie Aperol Sprizz mit der Tendenz zur Maßlosigkeit bzw. bis ich volltrunken ins Bett fiel. Ich aß beinahe nichts und war um so schneller betrunken. Ich war frisch verliebt und deswegen unglaublich unsicher. Den ganzen Tag am Handy, um mit ihm Mails und Nachrichten zu schreiben. Bis ich am zehnten Tag am Abend von draßen über die Schwelle der Ferienwohnung stolperte und wie ein nasser Sack in die Ecke mit dem Abfall fiel: der Mülleimer zerbrach unter meinem Gewicht und ich lag in der Nische eingeklemmt und hilflos da wie ein Käfer auf dem Rücken und schaffte es nicht, mich zu befreien. Mein großer Sohn kam und hievte mich hoch, schüttelte nur mit dem Kopf und murmelte etwas von „Mensch, Mama“. Danach pausierte ich mit dem Alkohol für genau vier Tage, trotz aller Schwüre mir selbst gegenüber, nie wieder trinken zu wollen. So what.

Es gabe so viele peinliche Momente, das beschreibe ich mal in einem separaten Beitrag. Gut für mich, das alles noch einmal aufzuarbeiten, um mich bei Suchtdruck erinnern (und abschrecken) zu können.

Ich habe mir nun vorgenommen, das Thema mit meinem Jüngsten daheim noch einmal zu besprechen und ihm ganz ehrlich zu sagen, dass ich gerade auf meinem neuen Weg unterwegs bin und warum. Auf Augenhöhe.

Ich kann und mag mich nur Stück für Stück preisgeben.

Drückt mir die Daumen.

Für heute in Liebe
Eliza