Guten Morgen, liebe Welt,

schwupps, wieder eine Woche (Jetzt sieben!) trocken vorbeigezogen und ein paar gefährliche Klippen umsegelt ohne rückfällig zu werden. Es funktionierte recht gut, ich hatte keinen Suchtdruck, nur mal etwas Bedauern verspürt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich auf die Situationen mental vorbereitet war: am vergangenen Freitag waren wir Kolleginnen alle privat zu einem 60. Geburtstagsdinner eingeladen. Zur Begrüßung gab es einen Apperitif, den ich früher wirklich wirklich unglaublich gern getrunken hab. Die Gastgeberin hatte schon für jede von uns einen vorbereitet und ging nun mit demn Tablett rum. Ich schüttelte nur dankend mit dem Kopf, aber dann meinte sie: „Ich habe auch alkoholfreien Sekt.“ Den hat sie dann extra für mich geöffnet, und der Moment war ohne Nachfragen, warum ich keinen Alkohol wollte, vorübergegangen. Das nächste Mal wurde ich erst wieder nach dem Essen gefragt, als die Verdauungsschnäpse die Runde machten… Hätte ich früher auch nicht nein gesagt. Für den Rest des Abends hatte sie Sauerkirschbowle vorbereitet und die hätte ich auch gern mal probiert. Das waren so die wehmütigen Momente, aber nur sehr sehr kurz. Ansonsten hat es mir gar nichts ausgemacht. Und meine Abstinenz wurde nicht in Frage gestellt.
Wenn ich es mir recht überlege: trotz des Autos, das ich dabei hatte, hätte ich früher an diesem Abend mindestens drei verschiedene Getränke mit Alkohol konsumiert und wäre dann trotzdem gefahren. So konnte ich das Essen genießen und ohne schlechtes Gewissen heim fahren, musste daheim keinen Pegel auffüllen, sondern hatte noch einen stillen Moment mit einer Tasse Tee.

Was sind noch gefährliche Situationen? Im Moment vielleicht die anstrengende Beziehung. Aber auch hier ist es eher so, dass ich zwar genervt und unzufrieden bin, aber trotzdem nicht das Verlangen habe, das wegzutrinken.

Ich galube, wirklich schwierig werden Momente, die mich völlig überraschend treffen. Aber auch dann hoffe ich, dass mein Schutzschild aktiviert wird und ich nicht überstürzt zum Weinglas greife.
Nachdem ich mit dem Rauchen aufgehört hatte, gab es trotz langer Abstinenz mehrere Situationen, in denen ich wirklich überlegt habe, mir eine Schachtel Zigaretten zu kaufen und wieder anzufangen. JAHRE, nachdem ich aufgehört hatte. Es waren so Scheißegal-Momente.  Ich musste alle Willenskraft aufbringen, es nicht zu tun: habe Bilder in meinem Kopf abgerufen und mich wieder und wieder frierend, ohne Socken und im Schlafanzug, aber mit dicker Winterjacke auf dem Balkon im Nieselregen stehen sehen, um die erste Morgenfluppe zu inhalieren. Ohne Genuss, ohne Spaß. Hauptsache, Nikotin. Wie demütigend. Dazu der beißende Geruch nach frischem Zigarettenrauch: Ich mochte mich selbst nicht so gern riechen. Nein, das wollte ich nicht wieder haben.

Bei Clare Pooley habe ich gelesen, dass sie kurz nach dem Aufhören zu trinken eine Krebs-Diagnose erhielt. Sie wollte aucham liebsten rückfällig werden, hat sich dann aber gedacht: „Nüchtern bleiben, erwachsen sein, vernünftig denken.“ Das habe ich mir gemerkt, das hat mich beeindruckt. Ein Mantra.

Trotzdem mag ich nichts herausfordern: den gemeinschaftlichen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt mit den Jobmädels habe ich abgesagt. Voriges Jahr zogen sie auch nur von Bude zu Bude, von Glühwein zu Eierpunsch und zurück. Schon im Bus wurde Prosecco gekippt und zum Essen gab es Cocktails und als Absacker zurück im Ort noch ein letztes Bier… Ich mag das nicht haben, auch nicht nüchtern nebenher tapsen. Da hätte ich trotzdem nichts vom Weihnachtsmarkt, weil ich den anderen dennoch ständig nachrennen müsste.

Da ich aber nie viel ausgehe und in Gesellschaft trinken müsste, fällt es gerade sowieso nicht auf und ich muss  keine Nachfragen beantworten. Anders wird es, wenn meine Familie zu Weihnachten kommt. Die kennen mich als sehr dem Wein zugetan. Aber bis dahin sind es noch fünf Wochen, ich bin dann noch ein stück weit gefestigter und selbstbewusster, denke ich, und kann dann die Wahrheit gelassener aussprechen.

Für heute alles Liebe für euch
Eliza