Hey Leute,
bis gestern dachte ich, es ginge mir mental endlich besser. Dass die Ersatzhormone meine depressive Stimmung neutralisiert hätten. Dass die nervige, weil stetige, Erschöpfung ein Ende hätte. Falsch gedacht.
Ich weiß nicht woran es liegt, aber gestern fühlte ich mich in die Novemberzeit des vergangenen Jahres zurückkatapultiert. Unglaublich müde., unglaublich traurig. Ein alter Bekannter begrüßte mich in meinem Kopf: „Na, heute nichts geleistet? Zu faul? Zu bequem? Siehst du, du bist eine Versagerin.“
Was war denn nur los?
Ich denke nach: Warum fühle ich mich so mies? Oder anders: Wann genau fühle ich mich wertig?
Meistens, wenn ich fleißig war. Oder diszipliniert. Wenn ich mein (selbstauferlegtes) Tagesschrittepensum abgerannt habe, beim Essen nicht meinen Gelüsten gefolgt bin und meinen to-do-Zettel nachweislich abgearbeitet habe. Wenn ich die Kontrolle behalte und meinen Zwängen folge.
Gestern habe ich mich im HomeOffice an die Regeln meiner Struktur gehalten, als säße ich im Büro in der Firma. Arbeitszeit und Pausen einhalten, Aufgaben abarbeiten und nicht rumschludern. Trotzdem schlich sich zum Feierabend eine erste Unzufriedenheit ein. Selbstkritisch blickte ich auf mein Tagwerk. Genug?
Und die Kontakte fehlen. Durch die Firma zu laufen, Menschen zu begegnen und „Hallo“ zu sagen. War mein Rückzug nach Hause eine gute Idee? Eine vernünftige, ja, aber was wird es auf Dauer mit mir machen? Ich vereinsame schnell.
Auf meiner Fitnessuhr waren am Nachmittag keine 900 Schritte angezeigt; weit entfernt von den 10.000, die ich im Schnitt pro Tag laufen möchte. Ich hatte mir vorab für das HomeOffice vorgenommen, die Mittagspause auf eineinhalb Stunden zu verlängern und mich in der Zeit auf dem Laufband zu bewegen. War dann gestern schon mal nix. Ich hatte keine Lust und sowieso Muskelkater vom Laufpensum der Vortage.
Essen: Im Moment brauche ich wieder viele Kohlehydrate und Zucker. Gebäck und Schokolade. Ich möchte das in Massen verschlingen, beherrsche mich aber auf ein mir erträgliches (erlaubtes) Maß. Ärgere mich am Abend trotzdem über mich selbst und mag meinen Körper dann nicht. Je mehr ich daran denke, mal wieder ganz darauf zu verzichten – wenigstens eine Weile, um so größer das Verlangen. Emotionaler Stress? Kompensiere ich mit dem Zucker das Trinken? Ich gebe dem Verlangen nach Süße nach. Kontrollverlust. Undiszipliniert. Unmöglich. Meint eine Stimme in meinem Kopf. Aber doch besser als zu trinken, halte ich mit einer anderen dagegen.
Das ist schon ein erschreckendes Fazit. Ich kann nicht wirklich loslassen und bin in Kontrollzwängen verhaftet. Easy going wäre schön, aber wie schaffe ich da?
Es ist paradox: Ich brauche Kontrolle, um mich gut und wertig zu fühlen. Kontrolliert zu trinken hat nicht funktioniert, der Alkohol hat mich bestimmt und ich mich dafür gehasst. Gar nicht mehr zu trinken, hat mir die Kontrolle zurück gegeben. Und meine Selbstachtung.
Doch das funktioniert im Rest meines Lebens nicht und wäre auch keine Dauerlösung für mich: Die Dinge immer nur ganz oder gar nicht zu leben. Entweder der komplette Zuckerverzicht (=gut fühlen?) oder unbedacht essen. Perfektionismus im Job vs. nur das Nötigste oder gar nichts zu tun. Höchstleistung im Sport contra ausruhen, schlafen.
Mir fehlt das gesunde Mittelmaß ohne das dann schlechte Gewissen. Süßigkeiten zu genießen ohne mich gleich dick zu fühlen, Sport als Entspannung anzunehmen statt als Wettkampf, bei der Arbeit Spaß zu haben und nichts beweisen zu wollen. Aus dem „du musst“ und „du darfst nicht“ ein „du kannst“ und „du darfst“und „du brauchst (nicht)“ werden zu lassen.
Mir fehlt wohl das Genuß-Gen?
Und: Wie kriege ich diese Zwänge bewältigt?
„Einfach“ leben wäre schön.
Alles Liebe euch
Eliza
Danke dir, lieber Reiner. Schön zu wissen, dass ich damit nicht alleine bin. Manchmal fühle ich mich wie ein Alien und bin sehr genervt von mir selbst… :o)
Und es wird echt besser? Dann hoffe ich da mal drauf und übe mich in Geduld. Vorher esse ich aber noch zwei bis sieben Schokoriegel. Basta!
Liebe Grüße und uns gute 24 Stunden.
Eliza
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WTF ist Mittelmaß ? 🙂
Du schreibst mir in Teilen aus der Seele, was das polarisieren angeht. Alles oder nix, wie früher. Aber – es wird anders, mit den Jahren. Ganz sicher. Meistens auch besser 🙂
Lieben Gruß & gute 24 Stunden, Reiner, Alkoholiker, heute trocken.
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