Liebe Saskia,

der Beitrag ist besonders für dich, weil du in einem deiner Kommentare einiges nachgefragt hast.

Da ich nur temporär hier schreibe, geht das eine oder andere begonnene Thema doch schon mal ein wenig unter oder leider ganz verloren. Ist mir gar nicht aufgefallen. Aber wer wie du von Beginn an und jeden Eintrag liest, merkt das natürlich und fragt sich… Rückblickend bin ich auch etwas traurig darüber, dass so lange Pausen zwischen den Beiträgen sind. Hatte ich da nichts zu sagen oder war ich zu erschöpft?

Liebe Saskia, du möchtest wissen, ob ich noch mit meinem Freund zusammen bin. Ja, auch das kann ich mit „ja“ beantworten. Ich gebe zu, es gab und gibt immer wieder Situationen, in denen ich aus der Beziehung davonlaufen möchte, weil ich mit so einigen Dingen, Einstellungen, Eigenarten nicht zurecht komme. Dass ich noch da bin, hat sicher auch viel mit meinem nüchtern sein zu tun. Ich lerne, besser auf meine Gefühle zu hören bzw. die zu hinterfragen. Oftmals werde ich in Situationen getriggert, die mich als Kind geprägt haben.
Kürzlich las ich bei FB den Beitrag eines Mitglieds, der sich so getrieben und nie irgendwo zugehörig fühle. Suche = Sucht. Das habe ich jahrelang bei mir selbst erfahren. Immer auf hoher See unterwegs, oder wenn ich mal (sinnbildlich) mit irgendetwas – dem Job, der Liebe, einem Talent – im scheinbar sicheren Hafen vor Anker lag, verspürte ich recht schnell eine innere Unruhe in mir, die mich doch wieder weiter und weiter trieb. Jetzt bin ich fast zeitgleich seit 2,5 Jahren im Job und in einer Partnerschaft gefestigt und möchte wirklich gern darin bleiben und ankommen. Die Fluchtgedanken kommen unvermittelt in nur bestimmten Momenten. Da möchte ich näher hinschauen (lernen) und irgendwie Lösungswege finden.
Mein Freund und ich sind so verschieden, aber dennoch auch mit den gleichen Verletzungen behaftet, dass es doch wieder passt. Wir erkennen uns. Er ist gnadenlos ehrlich und macht mir nichts vor, auch wenn er nie über Gefühle spricht. Ich muss nicht an seiner Treue und Loyalität zweifeln. Er führt mich nie und nirgends vor. Wir haben den gleichen Humor und schlafen noch immer engumschlungen miteinander ein. Ich wäge also ab: Was fehlt mir in dieser Beziehung versus was bekomme ich? Schaue ich zurück sehe ich, wie sehr wir uns miteinander entwickelt haben. Wie schön es ist, wenn wir zusammen sind, auch wenn es so unaufgeregt ist. Die anfänglichen Kämpfe auf Grund unserer ureigenen Ängste sind weg, Gelassenheit stattdessen. Beständigkeit heißt das Zauberwort und genau das brauche ich. Von daher tut er mir wahnsnnig gut. Auch wenn ich viele Themen ausklammern muss oder will: meine Alkoholgeschichte oder die Sorgen um meine Kinder. Ich teile sie stattdessen mit anderen Vertrauten, wenn mein Freund damit nicht umgehen kann oder will. Aber das ist eine andere Baustelle.

Deine letzte Frage: Nehmen mich meine Kinder anders wahr als noch vor einem Jahr? Hm, schwierig zu beantworten. Corona erschwert den Kontakt und ich bin noch immer extrem schambehaftet, um so offen über meine Sucht zu sprechen. Gerade meiner Familie gegenüber. Ich sag mal so: Meiner Tochter habe ich den Blog hier als den meinigen offeriert und sie hat drin gelesen und weiß Bescheid. Sie findet gut, dass ich schon so lange trocken bin und ist sehr stolz auf mich. Schrieb sie mir.
Mein Jüngster, der noch bei mir wohnt, findet Alkohol, Drogen, Zigaretten eh blöd und längst gut, dass ich nichts mehr trinke. Er hatte mich immer gespiegelt („Bist du wieder betrunken?“). Allerdings schaffe ich es nicht, ihm meinen Blog zu zeigen, obwohl er mein Schreiben mitbekommt und fragt. Es ist mir so peinlich. Mein ältester Sohn wohnt weit weg und hatte noch kaum mal Gelegenheit, sich zu meiner Abstinenz zu äußern. Oder zu meinem Neu-Sein.

Es bleibt also spannend. Das Leben.
Danke an dich, dass du mich rückblicken lassen hast.
Alles Liebe
Eliza