Corona lässt uns paranoid werden. Aber nicht nur. Mich macht es aggressiv und zynisch.
Ich trete durch den Haupteingang in der Firma und fühle mich an einen Flughafen erinnert. Janosch war da und hat mit schwarzgelb gestreiftem Klebeband im Flur sein Revier markiert. Eine fette Trennlinie und bedrohliche Pfeile weisen Laufrichtung und Weg. Übertreten und querlaufen verboten. Links herum, rechts herum und bitte nicht die Arme zur Seite ausstrecken. Der Gang ist zu schmal. Berührungsgefahr mit dem Gegenverkehr. Vor den Bürotüren strichelt sich die Linie zutrittskompatibel. Eintreten nur mit Termin! „Haben Sie Termin?“, schreit die Kollegin vom Empfang jeden Besucher an, der per Klingel sein Begehr ankündigt, als hörten sie schwer. Ohne Termin kein Reinkommen. Ohne Maske sowieso nicht. Die Kontrolle ist unerbittlich. Wir sind Festung. Wer es rein schafft, läuft Hürden. Der Desinfektionsspender, ein Absperrband mit Warnung und Verhaltensregeln: Du musst!
Meterhohe Plexiglasscheiben auf den Schreibtischen lassen uns zu Zootieren werden. Bitte nicht füttern! Ich hauche meinen warmen Atem auf das Glas und male mit dem Finger einen Smilie über das angespannte Gesicht meines Gegenübers. Er lächelt nicht zurück.
Wir schleichen vermummt durch das Gebäude. Auf dem Weg zum Klo, zur Teeküche, zum Kopierer, und nuscheln ein ‚Hallo!‘ in unseren Stoff. Baumwolle ist schwerer als das Papier der Einwegmasken, aber schicker und waschbar. Mit Viskosemasken kann ich nicht: Ich atme sie tief ein und der Stoff flattert in meiner Mundhöhle herum. Die FFP2-Mundschützer mancher Kollegen haben eine spitze Naht und erinnern an einen Vogelschnabel. Ich frage, ob ich etwas darauf malen darf. Ein paar Schnabelnasenlöcher vielleicht oder Blümchen, ein Comic oder einfach nur die Grundstimmung des Tages mit einem Spruch: Sprich mich nicht an!? Radikaler: Halt’s Maul!? Man lässt mich nicht.
Wer hüstelt, ist verdächtig. Der Mindestabstand verdreifacht sich schlagartig und alle schlagen weite Bogen. Walking dead. Sorry, ich hab mich nur verschluckt. Kannst du mir mal auf den Rücken klopfen? – Nee, ich darf nicht. Kontaktverbot.
Ich halte automatisch die Luft an, wenn ich Leuten auf der Treppe begegne, und vergesse zu atmen, wenn meine inneren Alarmglocken schrillen: zu dritt in einem Zimmer! Wir sind zu viele! Meine Aerosole nehme ich besser mit.
Wir verwahrlosen: Die Haare zotteln vor sich hin, und Einweggummis aus der Schublade halten das Gefussel notdürftig zusammen. Das Gesicht ist erleichtert. Endlich mal die Haut befreit durchatmen lassen. Schminke muss ja nun nicht. Für wen denn? Die Männer sehen seltsam aus. Löwenmähne oder Raspelfriese. Das Internet zeigt Videos für do it yourself-Haarschnitte. Vokuhila. Weil man mit der Schere hinten schlecht rankommt. Egal, muss jetzt mal gehen.
Ein leichter Desinfektionduft schwebt durch die Luft.
Auf dem Tisch im Sozialraum liegt eine geöffnete Tüte Gebäck und verlockt zum unbeschwerten Reingreifen. Am Nachmittag ist sie leer. Corona?
Guten Morgen, ich sollte vielleicht „Ironie“ drüber schreiben? Weil ich ja die Schutzmassnahmen per se auch richtig finde. Aber: es treibt wilde Blüten… und ist dann manchmal frustrierend. Und: Am Ende grabschen alle ohne zu zögerlich wieder in die offene Kekstüte. Tja.
Liebe Grüße
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„Du haben Termin“ finde ich auch mehr als grenzwertig.
Coronaprozeder: vielleicht mühsam, aber ja insgesamt gut. Ich kann mich gar nicht schützen und das erfordert wirklich Gelassenheit. Es werden wieder andere Zeiten kommen.
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Moin… Ja. Langhaarschneider für Unerfahrene = Raspelfriese. Steht auch nicht jedem. Wir werden geerdet… ;o)
Und sonst so: Hm, Kollegen kannst du dir halt auch nicht immer aussuchen.
Liebe Grüße zurück und ja: unbedingt gute 24 Stunden
Eliza
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Guten Morgen 🙂
Du haben Termin?
Was`n dat für eine?!
Sonst so? Langhaarschneider, 3mm, einmal rum um die Kugel, fertig. Trage mein Haar immer offen und sehe beim aufstehen schon frisch frisiert aus 😉
Gute 24 Stunden dir & Grüße, Reiner
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