Guten Morgen, ihr alle,

Homeoffice… Erster Tag. Seid ihr auch dabei?
Ich habe lange gezögert, das bei meinem Arbeitgeber zu beantragen, aber es nützt ja nix: Kontakte minimieren, heißt das Gebot der Stunde. Zudem erhoffe ich mir etwas mehr Ruhe und Konzentration meiner selbst auf diverse Projekte, die ich lange vernachlässigt hab, weil sich stets was Neues – angeblich furchtbar Wichtiges und immer Eiliges – in den Vordergrund drängelte.
Erstmal nur für drei Tage in der Woche; ich muss ab und an doch mal was ausdrucken im Büro und andere Gesichter sehen als das schlecht gelaunte meines Sohnes.
Seine Depression schafft mich, es ist so schwer, damit umzugehen. Was sage ich ihm, um ihn aufzubauen, etwas Hoffnung zu geben, um ihm ein Fitzelchen Mut zu schenken? Dass wir da alle durch müssen und wieder bessere Zeiten kommen? Das reicht nicht. Er vereinsamt zusehens. Der Sport fehlt, die sozialen Kontakte, die er sowieso kaum hatte, sind komplett weggebrochen, die Motivation für die Ausbildung unter Null. Er hasst seinen Job und quält sich durch die letzten Monate bis zum Abschluss. Er nennt die vergangenenn drei Jahre vergeudete Lebenszeit und ohne Mehrwert und glaubt, bisher nichts im Leben geschafft zu haben. Ich weiß es, ihr wisst es, dass das so nicht stimmt. Dass wir rückblickend erkennen, dass uns selbst der Gang durch tiefe Täler irgendwas mitgegeben hat, was uns weiterhilft im Leben. Aber mein Kind glaubt nicht daran. Er verkriecht sich in seinem Zimmer, hockt vor dem Bildschirm seines PC und redet nicht. Zuhören will er auch nicht. Nicht gemeinsam essen, nichts unternehmen, nichts glauben. Und so stehe ich vor seiner Tür mit hängenden Armen und weiß nicht weiter und habe so furchtbare Angst um ihn. Nicht ohne Grund.

Aber nun. Homeoffice also.

Ich habe mir vorgenommen, das strukturiert zu bewältigen. Aufstehen wie immer, waschen und Zähne putzen und angezogen! ab 7 Uhr vor dem Laptop sitzen. Anziehen heißt heute: Leggings, Hausschuhe und gemütlicher Pullover. Selbst das Radio schalte ich aus. Der erste Tag startet prima.

Gut, dass ich mir einen neuen Schreibtisch gekauft habe im vergangenen Jahr. Ich klappe meinen winzig kleinen Dienstlaptop auf und melde mich am Server an. Arbeitszeitbeginn: 7.02 Uhr. Das Mailprogramm braucht ewig bis es lädt und die Minitastatur ist nervig. Nächste Woche muss ich mir eine externe besorgen mit extra großen Tasten. Mein Handy klingelt und meine eigene Büronummer leuchtet im Display auf. Die Rufumleitung funktioniert, und die Kollegin aus dem Erdgeschoss ist dran. Ich erkläre ihr, dass ich gar nicht im Haus bin und wir fachsimpeln, wer im Homeoffice die Arbeitsleistung kontrolliert. „Da könnte man ja theoretisch auch Kuchen backen oder andere Dinge tun und keiner merkt es“, überlegt die Kollegin. Ich nicke, aber das sieht sie ja nicht. „Naja“, sage ich. „in meinem Büro in der Firma kann ich zwar keinen Kuchen backen, aber könnte trotzdem auch nur private Dinge erledigen und keiner könnte das kontollieren.“ Das sei hier oder da Vertrauenssache. Egal ob daheim oder im Einzelbüro.
Ich schaue an mir herunter und denke: Aber so ein Outfit geht wirklich nur zu Hause. „Tschüß bis Dienstag“, verabschiede ich mich.

Der Kaffee ist alle und die Orchidee schaut traurig. Also stelle ich den Wasserkocher an und trage die Pflanze ins Bad. Ich mach das mal schnell, denke ich, und wässere die Blume. Soviel Zeit muss sein. Die anderen Grünpflanzen in meiner Wohnung bräuchten auch mal wieder Wasser, aber nein. Nicht jetzt. Jetzt ist Arbeitszeit. Das Wasser kocht und ich hocke mich mit der dritten Tasse Kaffee heute morgen zurück an den Schreibtisch.

Seit eineinhalb Stunden bin ich im Homeoffice und habe zumindest schon Mails gelesen, eine verschickt und ein Telefonat angenommen. Oh jeh. Ich muss produktiver werden.

Fünf Stunden arbeite ich freitags und bin froh, als ich 12 Uhr den Deckel vom Laptop zuklappe. Am Ende ist es doch noch ein bisschen was geworden, aber so viel wie ich sonst im Büro geschafft hätte? Keine Ahnung und ganz ehrlich: ich sollte aufhören, mich deswegen verrückt zu machen und schlecht zu fühlen. Ich tu was ich kann und das muss immer noch reichen. Für heute zumindest. Aber sag das mal meinem Kopf… ;o)

In Liebe
Eliza