Vor sechs Wochen bin ich bei einem Halbmarathon mitgerannt. Obwohl: Gerannt bin ich nur am Anfang, später eher geschlichen und am Ende nur noch völlig erschöpft ins Ziel gewankt….
Dass ich bei so einem Event mal mitmache, hätte ich bis dato nie gedacht. Selbst ein paar Tage zuvor war ich voller Zweifel, ob ich an den Start gehen soll. Denn: Theoretisch bin ich sowas von unsportlich, war unzureichend vorbereitet, hatte zu wenig (lange Strecken) trainiert und überhaupt war es die größte sportliche Herausforderung meines bisherigen Lebens. Dass ich da angemeldet war, hatte ich meiner spontanen Begeisterung zu verdanken. Ein Jahr zuvor stand ich mit meinem Freund am Zieleinlauf und sah die Männer und Frauen ins Ziel kommen: erschöpft, aber glücklich, vom PomPom-Gewedel der Cheerleader begleitet, vom Moderator auf den letzten Metern angespornt und als Lohn eine Medaille um den Hals gehängt bekommen. Es waren nicht nur durchtrainierte Athleten auf der Strecke; da gab es alte und junge, dicke und dünne, schnelle, bedächtige oder nur schleichende Menschen, die vor meinen Augen in das Ziel kamen und ich rief laut: „Wenn die alle das schaffen, kann ich das auch!“ Fehler! Zu Weihnachten schenkte mir mein Freund ein paar neue Joggingschuhe, zm Valentinstag dann die Anmeldung zu besagtem Halbmarathon. So musste aus einer Schönwetter-Joggerin mit höchstens drei Kilometer Durchhaltevermögen eine trainierte Marathoni für 21 Kilometer werden. In sechs Monaten! NIE hätte ich gedacht, dass ich das jemals schaffen könnte. Andere auch nicht: Ich wurde in der Familie ausgelacht. Das war der Ausöser. Ich reagierte trotzig mit einem stillen „Jetzt erst recht“. Ab da gab ich mir Mühe und lief mit jedem Mal ein Stückchen weiter. Im Juni schaffte ich zwölf Kilometer und staunte: Nie zuvor war ich so weit und so lange gelaufen.
Allerdings hatte ich wenig Zeit zum Trainieren, ich lief maximal zwei Mal in der Woche, wenn überhaupt. Dann kamen der Sommer mit intensven Hitzewochen mit bis zu 40 Grad und der Urlaub im Ausland. Turnschuhe immer in Gedanken oder im Gepäck – mehr nicht. Wie schnell sich Kondition abbaut, merkte ich im August. Zwei Wochen vor dem Termin war ich weit zurück in meinem Trainingsplan. Dann wollte ich es wissen und probierte an einem regnerischen Tag das Laufband im Fitti aus: zwei Stunden in meinem Tempo wollte ich schaffen. Wenigstens das, denn ich rechnete mir für mich eine Maximalzeit von etwa zweieinhalb Stunden für die 21 Kilometer aus. Würde ich zwei Stunden laufen können, dann auch die letzten 30 Minuten. Oder gehen. Kriechen. Was immer. So der Plan.
Vorher aufzugeben war dann doch keine Option. Ich dachte daran, dass ich mich bis ans Ende meiner Tage ärgern würde, es nicht wenigstens probiert zu haben. Mein Freund schaute skeptisch, versorgte mich aber als Sportler mit Tipps, Musik, Haferflocken, Energiegels und mentaler Motivation auf der Strecke. Er war immer dabei, fuhr die letzten Kilometer mit dem Rad nebenher. Im Nachhinein gab er zu, er hätte nie geglaubt, dass ich es schaffen würde. Weil schlecht vorbereitet usw… Aber er war da und danach und noch heute sichtlich stolz und ehrfürchtig. (Vielleicht gepaart mit etwas Angst vor meiner Sturheit?). Denn ganz ehrlich: Letztendlich war es Trotz, der mich durch den Lauf brachte.
Nach der ersten Runde (neun Kilometer) war mein Energiespeicher leer und ich konnte und wollte nicht mehr. Zwei Energiegels später schaffte ich die zweite Runde und hatte 15 Kilometer absolviert. Weiter hatte ich es noch nie zuvor geschafft. Die dritte Runde war eine Quälerei aus schleppendem Lauf und langsamen Gehen. Meine Beine schmerzten unglaublich und ich wollte keinen Meter weiter. Nur noch durchs das Ziel. Irgendwie.
Das ist mir gelungen. In 2:25 Minuten.
Trocken zu werden ist für mich eine Art Marathon.