Guten Morgen liebe Welt,
okay, reden wir über das Trinken. Ab wann ist zuviel zu viel, ab wann ist man/frau alkoholabhängig und was war mein Pensum?
In einer Doku kürzlich (37 Grad / „Mein stiller Freund“) erzählten zwei betroffene Frauen von ihrem Konsum: eine hatte in ihren extremsten Zeiten bis zum Schluß täglich mehrere Flaschen Wein getrunken; die andere schaffte die Tage nur mit Sektchen ab dem Aufstehen bis zum Schlafen gehen.
In verschiedenen Foren und Blogs oder in den Erfahrungsberichten in den Büchern schreiben die Frauen von Schnaps und Bier und Wein in unglaublichen Mengen, vom heimlichen Trinken auf der Bürotoilette, vom Vorglühen vor dem Ausgehen. Davon war (‚war‘ nicht ‚bin’…, daran muss ich mich noch gewöhnen) ich weit entfernt.
Allerdings: In einer Selbsthilfegruppe des Kreuzbundes für Suchtkranke (Da war ich als Journalistin zum Recherchieren zu Gast.) habe ich eines erfahren: Es ist im Grunde egal, wie viel du trinkst. Wenn du regelmäßig trinkst und den Alkohol vermisst, wenn du ihn nicht bekommst, hast du ein Suchtproblem.
Es gibt Spiegeltrinker, die permanent Alkohol im Blut brauchen und deshalb auch von morgens bis abends trinken müssen. Es gibt die so genannten „Quartalssäufer“, die in einem bestimmten Zeitraum extrem abstürzen und nicht genug davon kriegen können und dann wieder über Monate nichts trinken, und es gibt die Feierabendtrinker. Das war ich.
In der Woche, im Arbeitsrhythmus, war ich tagsüber nüchtern (oder „nur“ mit Restalkohol vom Vorabend behaftet). Außer mal ein Glas Sekt zu bestimmten Anlässen gab es in meinen verschiedenen Jobs keinen Alkohol. Keine wilden Büropartys vor dem Wochenende oder bei Geburtstagen. Und Sekt schlägt mich tatsächlich k.o.. Ich werde schlagartig müde.
Aber nach der Arbeit war es normal: im Supermarkt schnell noch eine Flasche Wein (vor den Wochenenden mindestens zwei) zu kaufen und kaum daheim, beinahe noch in Jacke und mit dem Schlüssel in der Hand, mir das erste Glas einzuschenken und fast gierig den ersten Schluck zu trinken. Das war oftmals wie eine Erlösung und während ich das aufschreibe, kann ich mich so gut an das warme Gefühl erinnern, das mich umfing. Die Erleichterung. Das Runterfahren.
Eine Flasche Wein – drei volle Gläser. Es klingt nicht viel oder eben enorm. Je nach dem, aus welcher Perspektive man es betrachet. Theoretisch war ich nach dem ersten Glas angenehm beschwingt und sehr entspannt, doch ab dann war der Dämon im Spiel: Ich konnte nicht aufhören bis der letzte Tropfen ausgetrunken war. Weil ich das wusste, habe ich mir oftmals schon selbst Sperren für den Konsum eingebaut. Es zumindest versucht. Nur kleine Flaschen gekauft, in der unsinnigen Annahme, dann nur eine oder zwei davon zu trinken. Ein Trugschluss. Alles musste auf einmal geleert werden. Drei oder vier, wenn ich sie da hatte. (Nur zwei kleine Flaschen zu kaufen hat nicht funktioniert, denn ich war bereits beim Einpacken panisch, es könne nicht reichen.) Aber selten habe ich in der Woche bei einem Einkauf zwei normal große Flaschen gekauft. Aus Taktik, um eben nicht zwei zu trinken. Stattdessen griff ich zu einer Literflasche… Ab irgendwann zu drei 0,75-Liter-Flaschen für das Wochenende… So erhöht sich der Konsum sukzessive.
Auf Vorrat für die ganze Woche zu kaufen war nie eine Option: fünf bis sieben Flaschen Wein im Wagen liegen zu haben, über das Kassenband zu schieben, hätten mich zudem aufschrecken können. Ich wollte das Ausmaß meiner Sucht nicht wahrhaben, schon gar nicht sehen, und auch nie so viel Alkohol auf einmal im Haus haben. (Um nach einer Woche feststellen zu müssen, dass nichts mehr davon da war.)
Ich habe es auch mit Schnaps „versucht“, um mich schneller als mit Wein zu entschleunigen. (Und um weniger Kalorien zu trinken. Haha.) Billiger weißer Rum vom Discounter mit Light-Cola. Ging ratzfatz, da den Pegel zu haben. Aber nach ein paar Tagen ist mir die Schizophrenie des Ganzen bewust geworden und ich war erschrocken über mich selbst. Nach einem noch dickeren Kater eines Morgens. Da habe ich den restlichen Schnaps tatsächlich in den Ausguss gekippt, was mir generell nur selten gelang: Alkohol wegschütten. Und wenn, dann nur morgens im Gefühl von Reue und Übelkeit und dem Vorsatz „Nie wieder trinken.“
Es gab Zeiten, da hatte ich an freien Tagen wie Wochenende oder Urlaub schon mittags (11 Uhr ist doch auch schon irgendwie Mittag, nicht wahr?) das erste Glas Wein in Griffnähe stehen. Klassisch: in der Küche beim Kochen. In solchen Fällen reichte eine Flasche Wein natürlich nicht über den Tag. Ich bin oft betrunken losgefahren, um an Tankstellen teuren Nachschub zu besorgen.
Unberechenbar sind die 3-Liter-Tetra-Weinpacks vom Discounter. Praktisch gleich mit integriertem Zapfhahn. Und im Literpreis billiger als jeder Flaschenwein. (Wenn andere Betroffene vielleicht noch auf gute Qualität beim Alkohol geachtet haben – ich nicht.) Der Karton stand in einer Nische auf dem Küchentresen und ich konnte unkontrolliert trinken. So musste ich mich nicht mit meinem Gewissen plagen, wenn ich an einem Abend wieder eine leere Flasche in den Glassammler legte. Ich schüttelte nur ab und an am Karton und beruhigte mich mit: ’noch viel drin, ich habe nicht übermässig konsumiert.‘
Trinkpausen sind auch Milchmädchenrechnungen: Nach spätestens drei nüchternen Tagen, in denen mir der Kater noch sehr präsent war, verlangte mein Hirn nach Alkohol und ich hatte dieses unbändige Verlangen. Seltsamerweise immer erst am Nachmittag. Nach der Arbeit, auf dem Weg nach Hause. Oder im Supermarkt. In meinem Kopf tobten regelrechte Kämpfe. Vernunft versus Suchtdruck. Manchmal siegte die Vernunft und ich quälte mich durch einen weiteren trockenen Tag, aber der Druck wurde schlimmer und dann kam der Moment: „Scheißegal, dann trinke ich halt heute und dann wieder ein paar Tage nicht.“ Dass das gar nicht funktionierte, sehe ich rückblickend noch deutlicher. Meist war ich dann wieder mindestens eine Woche lang voll „drauf“ bis zum nächstem Päuschen… (Raucher, die auf Light-Zigaretten umsteigen, rauchen dann meist um so mehr, um den Nikotinpegel zu erreichen. So schien es mir für mich: alles nachholen zu wollen)
Alles in allem sind das die Klassiker einer Alkoholabhängigkeit. Und wie gesagt: dazu braucht es nicht Unmengen an Wein, Schnaps und Bier pro Tag.
Ich war oft und lange stolz drauf, wenn ich früher andere „unter den Tisch getrunken habe“, mit Männern mithalten konnte, dafür Erstaunen oder sogar ein anerkennendes Schulterklopfen erntete. Heute ist es mir peinlich, so viel getrunken zu haben. Und mit Sicherheit dafür auch verspottet worden zu sein. Hinter meinem Rücken.
Passt gut auf euch auf
In Liebe
Eliza
Liebe(r) Uli,
danke für deine Nachricht. „Ein paar Jahre trocken“… davon bin ich weit entfernt, aber das ist mein Ziel. Vor allem „zufrieden trocken“. Liebe grüße zurück und weiterhin gute Zeiten
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Das könnte auch ich sein. Zum Glück bin ich seit ein paar Jahren zufrieden trocken. Ich kann für mich sagen ohne Alkohol ist das Leben viel viel schöner. L. G. 😉
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