Guten Morgen, liebe Welt,

aktuell lese ich verschiedene Bücher zum Thema „Mein Weg zur Abstinenz“. Vor allem Frauen (und ein Mann) erzählen über ihren Prozess, ohne Alkohol zu leben, über ihre Gründe, ihre Vergangenheit und über ihr nun neues trockenes Leben. Es schwingt viel Euphorie mit. Vom lethargischen Alkoholiker zum agilen, lebensfrohen Menschen. Daran halte ich mich fest.

Meine „rosa Wolke“ist winzig und taucht nur ab und zu auf. Dann schwappt in mir urplötzlich eine Welle der Dankbarkeit auf und immer noch: Erleichterung, nicht mehr zu trinken. Der Selbsthass des Versagens, der sich mit jedem morgentlichen Kater hämisch die Hände rieb, ist seit über sechs Wochen nicht wieder aufgetaucht.
Ich fühle mich insgesamt gelassener und nicht mehr so gehetzt, obwohl ich nicht weniger arbeite. Aber jetzt erledige ich eines nach dem anderen und denke manchmal „dann halt nicht“, wenn Dinge aus Zeitmangel liegen bleiben.

Aber von Euphorie bin ich weit entfernt. Es ist eher ein bewusstes Ein – und Ausatmen,  ein Kräfte einteilen, um weiter und weiter zu gehen. Und dabei denke ich eben über Vieles nach. Auch über meine Beziehung.

Vor vier Tage ist eine Diskussion zwischen uns aus einem im Grunde profanen Anlass dermaßen eskaliert, dass seit dem Schweigen herrscht. Da sind wir beide stur. Ich habe keine Ahnung wie das weiter geht, wer wie den ersten Schritt macht, was danach folgt. Die Entfernung erschwert vieles, denn manchmal löst eine Umarmung, eine Geste solche Situationen auf. Das fehlt.

Andererseits betrachte ich uns nun mal auf Distanz und frage mich auch, was uns aneinander bindet.

Seit ich klarer denken kann, bin ich hellhöriger geworden in allem, was mich in unserer Beziehung irritiert: bestimmte Ansichten, die ich nicht verstehen und nicht teilen kann, emotionale Distanzen, Abwehrmomente und Abgrenzungen. Ich vermisse so vieles, was er mir nicht geben möchte, manchmal auch nicht geben will, oder auch nicht geben kann. Da ist so viel (Schutz-?) Panzer drum herum, den er nicht ablegen will/kann… Nur manchmal darf ich hinter die Fassade schauen und in den Momenten ist alles gut. Das Problem ist, dass ich meinen eigenen dicken Panzer mit mir herumschleppe. Zwei Menschen mit extremen Ängsten vor Verlust und Nähe. Nur am Anfang unseres Kennenlernens haben wir uns gleichzeitig schutzlos gezeigt und einander offenbart. Mich macht es traurig, mich gedanklich mit einem möglichen Ende zu beschäftigen. Ich wünschte, wir könnten offen über unsere Ängste und Gefühle reden.

Seltsamerweise verspüre ich deswegen keinen Suchtdruck nach Alkohol. Ich nehme die Situation an und „atme einfach weiter“… Mit Alkohol wäre sicher schon Einiges passiert: Tränenfluten, Reue, vorwurfsvolle SMS oder wirre Sprachnachrichten. Viel Drama eben. Ohne Alkohol kann ich besser nachspüren, was das alles mit mir macht. Was ich wirklich fühle.

Für heute in Liebe
Eliza