Guten Morgen, ihr Lieben,

vergangene Woche habe ich beschlossen, für eine Zeitlang unsichtbar sein zu wollen. Zumindest im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Ich habe den Doppel-Blues: Der Herbst und Corona besetzen meine Seele und lassen mich erstarren wie Kai aus dem Märchen „Die Schneekönigin“. Seit Wochen finde ich morgens kaum aus dem Bett, möchte nicht zur Arbeit gehen, bin permanent niedergeschlagen und antriebslos, zwinge mich, meinen Job zu tun, schaffe davon nur ein Quäntchen, will am liebsten nach Hause gehen, kriege dort den Haushalt nur minimal geregelt und schleppe mich am Abend so zeitig wie möglich zurück unter die Bettdecke. Ich mag nicht reden. Weder persönlich noch telefonisch. Ich verschließe mich komplett. Meine Kreativität liegt auf Eis. Angefangene Zeichnungen, Passepartouts und leere Bilderrahmen häufen sich auf meinem Schreibtisch. Die Adventsbäckerei: Ich mag nicht.

Unsichtbar sein: das Profilbild und den Status im Messenger ausblenden, das Handy ausschalten, soziale Kontakte einstellen, unscheinbare Kleidung anziehen und (seit Jahren das erste Mal) ungeschminkt ins Büro fahren. Denn wozu? Wir tragen alle und überall den Mundschutz, und überhaupt bin ich zu müde, zu lustlos und es ist mir egal.

Nein, nicht alles, denn ich nehme es wahr, es sorgt mich, macht mich hilflos und ich möchte da raus.

Es ist nicht so, dass mir ein solcher Gemütszustand fremd wäre. Selbst in meinen Aufzeichnungen hier gibt es kurze Einträge zum Thema.

Während des Trinkens waren Depressionen mein ständiger Begleiter und immer in Lauerstellung – bereit, mich zu packen und niederzuringen. Das ist nichts Ungewöhnliches für Menschen mit Alkoholproblemen. Depressionen bedingen oftmals Alkoholmissbrauch, Alkohol verstärkt Depressionen. Ein Teufelskreis. Damals war es schlimmer, es ging mir schlechter. Oder anders schlecht. Ich habe die Traurigkeit weggetrunken und bin morgens mit noch mehr Selbsthass erwacht. 2012 bekam ich das erste Mal Antidepressiva verschrieben und später immer mal wieder. Nie für durchgängig, immer nur für einige Monate bis ich mich wieder stabil fühlte. Ich hatte Endzeitgedanken für mich und keine Träume mehr für die Zukunft. Das hat sich seit meiner Nüchternheit zum Glück aufgelöst. Tabletten nehme ich seit dem auch nicht mehr; ich habe alle Restbestände hier weggeworfen mit der festen Absicht: Ich will das so nicht mehr.

Im Grunde geht es auch ganz viel um Aushalten lernen. Gefühle, Ängste, Zweifel. Mit mir auszukommen und mich zu spüren ohne Betäubung. Das ist schon anstrengend. Ich denke über die Selbstliebe nach, die mehr fehlt und wie ich mich endlich annehmen und mögen könnte. Über den Druck, den ich auf mich ausübe, weil ich es nicht besser kann und kenne als „höher, schneller, weiter“. Jetzt im slow motion-Modus funktioniert das nicht mehr und ich muss lernen, dass wenig auch geht. Gehen muss. Ich ertappe mich dabei, ab und an deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben. Dem Arbeitgeber gegenüber, den Kollegen. Mich faul zu fühlen und als Schmarotzer. Wie bescheuert bin ich?

Trotzdem möchte ich aus dieser Lethargie heraus. Wenigstens das.

Dazu habe ich ein tolles Zitat (unbekannter Autor) gefunden:
„Und wenn du keine Lust hast, dann mach‘ halt ohne Lust. Aber mach was.“

Ich habe mir eine Tageslichtlampe gekauft und hocke nun jeden Morgen während des Schreibens daneben. Vielleicht nützt es was? Am Wochenende habe ich mich in die Turnschuhe gestellt und bin draußen herumgelaufen. Sonne tanken und bewegen. Soll auch gut sein. Home Office: Könnte ich machen, um mich vor dem Virus besser zu schützen. Doch ich lehne es noch ab, weil ich meine festen Strukturen behalten möchte. Mich morgens anziehen und ins Büro fahren zu müssen. Dort zu sein. Viel Selbstschutz, einige Selbstfürsorge. Und dabei unsichbar zu sein, ist per se nicht das Schlechteste.

In Liebe und passt gut auf euch auf
Eliza