Hallo ihr,
da ist wohl etwas Wahres dran: Mein Freund hält mich für das sturste Weib im ganzen Münsterland. „Ihr Ossis“, sagt er staunend und grinst dabei, wenn ich tapfer an meinem Tomatensaftwasser schlürfe. Heute ist Tag sieben, aber grenzwertig. Zehn Tage waren mein Ziel, doch jeden Morgen fällt mir das Aufstehen schwerer. Ich schlafe am Abend nur nach langem Herumwälzen ein und gestern Nacht war mir furchtbar übel. Wahrscheinlich von der Gemüsebrühe, die ich abends löffeln darf. Ungesalzen und jetzt nur noch widerlich im Geschmack. Gewürze und frische Kräuter retten da nix.
Ich probiere es gerade mit anderem Gemüse, das nun schon seit Stunden auf dem Herd köchelt, um das Wasser so gut es geht mit Aromen anzureichern, und nachher abgegossen wird. Aber wenn ich nicht muss und kann, dann lasse ich das.
Seltsamerweise ist mein Geist wirklich fit. Ich arbeite ja trotzdem im Homeoffice und muss mich echt viel konzentrieren und permanent zwischen verschiedenen Themen switchen.
Fasten macht mich fokussierter. Es ist, als würde ich den ganzen Tag mit dicken Kopfhörern – ohne Ton – auf den Ohren durch die Gegend laufen und die Welt ganz anders wahr nehmen. Unwichtige Dinge von außen werden ausgeblendet und ich spaziere viel freier und weiter durch meine Gedanken. Vor allem am Nachmittag, wenn ich nach Feierabend eine Stunde lang draußen laufe. Das gefällt mir an dieser Fastenzeit am Besten. Sich selbst viel intensiver wahrzunehmen.
Ansonsten schmunzel ich über viele Beiträge in der Buchinger-Fastengruppe. „Darf ich Kartoffen für meine Gemüsebrühe mitkochen?“ – „Nein, Kartoffeln sind nicht erlaubt!“ – (Herjeh, ich scheine alles falsch zu machen… in meiner Suppe schwimmen zehn Erdknöllchen herum.) – „Muss ich die Gemüsebrühe am Abend komplett aufessen? 600 ml sind echt viel.“ (Ich kriege große Augen.) – „Ich will mit dem Rauchen aufhören, darf ich da trotzdem fasten?“ (Meine Augen werden immer größer…) Ich möchte mich nicht lustig machen, ich staune einfach nur über so viele scheinbar naive Fragen. Und die regiden Antworten. Aber ich habe von der Gruppe trotzdem profitiert, von daher auch Respekt an die Admins, die da viel Zeit und Energie reinstecken. Und Geduld.
Tag sieben ist mein letzter Tag. Ich habe beschlossen, morgen aufzuhören. Mein Körper sagt eindeutig „Stopp!“ Es hat wenig Sinn, sich dagegen zu wehren, auch wenn meine alten Verhaltensmuster stark protestieren und mir Willensschwäche, Inkonsequenz und Disziplinlosigkeit suggerieren wollen. Á la: Reiß dich zusammen, du wolltest doch zehn Tage fasten. Mindestens. Das schaffst du! Nein, schaffe ich nicht und das zuzugeben ohne mich schlecht zu fühlen, ist immer wieder auch Neuland für mich. Ich muss niemandem etwas beweisen. Null. Schöner Gedanke und das setze ich um.
Nun habe ich mir aus der Fastengruppe einen Essplan für die ersten Aufbautage heruntergeladen und lese hingebungsvoll, was mich ab morgen Leckeres erwartet. Äpfel, Kartoffelsuppe, Knäckebrot und selbst mein heiß geliebter Kräuterquark und Ziegenkäse stehen auf dem Speisezettel. Ich möchte am Liebsten die Zeit vordrehen und losessen. Von daher: Es wird Zeit!
Außerdem bemerke ich eine wachsende Gereiztheit an mir: Ich werde zickig und unleidlich. Reagiere auf Kurznachrichten meines Freundes schnippisch, weil ich sie gerader schon aus Prinzip missverstehen will und auch keinen Nerv dafür habe. Die Barriere der höflichen Zurückhaltung bröckelt und es ist gerade gut, dass ich nicht unter Menschen bin. Der Entzug knabbert massiv an meinen Nerven. Das erinnert mich an meinen Vater, der starker Raucher war und ab und an versuchte, damit aufzuhören. Seine schlechte Laune während dessen war für uns als Familie und seine Umwelt unerträglich. Nach spätestens zehn Tagen haben wir ihn angefleht, bitte wieder mit dem Rauchen anzufangen.
Nun also starte ich in den Tag und gebe noch mal mein Bestes. Ölziehen gegen Mundgeruch (Danke für den Tipp mit dem Löffel für das Zunge schaben, lieber Reiner. Klappt wirklich gut.), Kaffee für den Kreislauf und Honig für den Blutzucker habe ich schon abgehakt. Nun sitze ich am Schreibtisch und arbeite brav zu Zitronenwasser und Kräutertee. Aber am Nachmuittag werde ich einkaufen fahren und mir die saftigsten Äpfel, die ich kriegen kann, in meinen Korb packen.
Alles Liebe
Eliza