Liebe Welt,

nach meinem gestrigen Mimimi-Eintrag und den arg trotzigen „Ich will aber nicht mehr vernünftig sein“-Seniorenvisionen hab ich mich abends mal auf youtube getummelt und Beiträge zum Thema „Alkohol im Alter“ geschaut. Eine Dame hat mich sehr geerdet und ein Beitag des ZDF sehr erschreckt.

Die Dame heißt Margit Eilers und wohnt in München. Als der Beitrag gedreht wurde, war sie fast 74 Jahre alt und seit sechs Jahren trocken. Sie hatte erst mit dem Renteneintritt komplett die Kontrolle über den Alkohol verloren, hatte am Ende extreme Entzugserscheinungen und musste bereits morgens dagegen antrinken. Zuvor, während ihres Arbeitslebens als Krankenschwester, war ihr Konsum noch „moderat“, und ähnlich meinem. Das ist erschreckend schnell gekippt inklusive der körperlichen Abhängigkeit. Da hatte ich noch großes Glück, denke ich oft.
Frau Eilers war zum Entzug und bringt es auf den Punkt: „Man bleibt ein Leben lang alkoholkrank bis ins Grab und der Rückfall ist immer präsent.“ Dahin möchte sie nie zurück.
Das hat mich sehr nachdenken lassen. So sehr ich mir auch wünsche, im Alter eben nicht mehr so streng reglementiert sein zu wollen mir selbst gegenüber, so bleibt es doch ein Trugschluss: Ich werde auch mit 70 oder 80 Jahren mein Suchtverhalten – welches auch immer – wohl eher nicht kontrolieren können. Und als ältere Frau wäre ich wahrscheinlich noch anfälliger für rapiden körperlichen und geistigen Verfall auf Grund steigenden Konsums. Ein Gläschen Rotwein am Abend? Warum sollte ich das dann plötzlich können? Aufhören nach dem ersten Glas. Dann lass ich es besser ganz.

Wer sich den kompletten Film anschauen möchte: „Alkoholsucht – mein Weg aus der Abhängigkeit“ (https://www.youtube.com/watch?v=8gJjW_BBWjY)

Die Dokumentation der Redaktion Zoom untersucht eher den politischen Umgang mit Alkohol in Deutschland: „Gefährlicher als Heroin! Volksdroge Alkohol DOKU 2017“ (https://www.youtube.com/watch?v=7zB6hAOUOuc). Vor allem die Anfangssequenz ist mir im Gedächtnis geblieben: Die Reporterin schüttet Wein, Bier und Schnaps aus den Flaschen in eine Badewanne, die auf einem öffentlichen Platz mitten in Berlin steht. Aus dem Off der Kommentar: „Etwa 130 Liter Alkohol konsumiert der Deutsche m Durchschnitt pro Jahr.“ Das Fassungsvermögen einer handelsüblichen Badewanne.

Ich rechne nach. Pro Woche habe ich etwa acht Flaschen Wein á 0,75 Liter getrunken. Das entspricht sechs Litern in sieben Tagen. Bei 52 Wochen komme ich so auf 312 Liter im Jahr, die ich allein ausgetrunken habe. Mal mehr, mal weniger. Eine unfassbar hohe Zahl und seit gestern auf zwei gefüllte Badewannen visualisiert. OMG.

Das bringt mich heute auf eine andere Idee. Ich lade mir eine App herunter, die ich aus meinen ersten halbherzigen, aber damals nicht weniger verzweifelten, Abstinenzversuchen noch kenne. Sie zählt nicht nur die Anzahl der Tage und Stunden, seit dem der Nutzer trocken ist, sondern auch gesundheitliche und finanzielle Vorteile, die das Vorhaben mit sich bringen.

Die Basisdaten sind schnell eingegeben: Nüchtern seit dem 1. Oktober 2019, mindestens 0 Uhr.
Getränke pro Woche: drei Gläser Wein á 0,25 Liter pro Abend plus Aufschlag = in etwa 24 Gläser (= 8 Flaschen).
Ausgaben für Alkohol pro Woche: Ich setze mal 2 Euro pro Flasche an, denn billiger Wein aus dem Discounter war immer gut genug. Ich schmeckte da wenig Unterschiede und ganz ehrlich: Ich war primär an der Wirkung interessiert.

Die Ergebnisse sind beeindruckend:
Ich bin seit 556 Tagen (und gerade 17 Stunden) nüchtern. Das hat mir allerdings nur 26 Tage und 12,2 Stunden erholte Lebenszeit zurück gegeben. Das ist eher deprimierend.

Die anderen Werte nicht: Ich habe insgesamt 1.272 Euro gespart und 1.908,7 Getränke (Ich wäre jetzt wohl beim zweiten Glas für heute?) nicht getrunken. – Etwas Ähnliches habe ich mit Zigaretten mal gemacht und käme dort mittlerweile auf eine stolze Anzahl von 35.907 nicht gerauchten Zigaretten. Dabei war ich noch nicht mal Kettenraucher, sondern fand mich mit zehn Stück pro Tag noch recht gemäßigt.)
Mich gruseln die Statistik und das Wissen, was ich mir jahrelang an Giften freiwillig zugeführt habe. Egal in welcher Substanz.

Spannend sind die Gesundheitsdaten. Nach den eineinhalb Jahren ohne Alkohol habe ich – selbstredend – keinen Alkohol mehr im Blut. Das baut sich innerhalb von 24 Stunden ab und der Blutzuckerspiegel normalisiert sich, heißt es. Nach etwa drei nüchternen Tagen beginnen sich die Gehirnzellen des Frontalhirns zu regenerieren. Das Gedächtnis, die Motorik und das Urteilsvermögen erholen sich. Stimmt.
Entzugserscheinungen – so ich sie gehabt hätte – wären nach etwa einer Woche ein Stück weit abgeklungen; meine physische Gesundheit (Immun- und Verdauungssystem und mein Energielevel) waren nach zwei Wochen verbessert. Stimmt auch.
Die Zeiträume für eine verbesserte Schlaf- und Hautqualität, die Neubildung von Neuronen für meine kognitiven Fähigkeiten und die mentale Gesundheit, der Zuwachs an grauer Substanz im Gehirn, eine gesteigerte Konzentrationsfähigkeit, eine verbesserte geistige Klarheit (nach etwa drei Monaten ohne Alkohol), meine Fitness (sechs Monate) habe ich längst mit 100 Prozent erfüllt und kann das alles so unterschreiben.

Sogar mögliche schlechte Leberwerte wären inzwischen ausgeglichen. Es braucht laut App ein Jahr, um das Organ gut gesunden zu lassen.
Noch in der Pipeline sind meine Risikowerte für mögliche Herzkrankheiten (Verringerung des Risikos nach etwa zwei Jahren Abstinenz), Schlaganfall (etwa fünf Jahre) und für eine Krebserkrankung (zehn Jahre). Da hab ich also noch was zu tun…

Ich lass das jetzt erstmal so stehen und wühle mich später noch mal intensiver durch das Internet nach anderen Quellen. Aber interessant finde ich das allemal.

Für jetzt alles Liebe
Eliza