Liebe Welt,

heute war ich sehr unleidlich. Ein blöder Tag, und ich stand mir selbst im Weg. Ich denke darüber nach, woran es lag und werde nicht wirklich fündig. Viele banale Kleinigkeiten. Ein enttäuschendes Wochenende mit dem Freund, ein frösteliges Unwohlsein am gestrigen Abend, eine abgesagte Verabredung, der Umzug in der Behörde mit nervigem Kistenpacken, die schlechte Stimmung der Kollegen, der ernüchternde Blick in das neue Büro mit zu wenig Platz und meiner latenten Überforderung mit dieser Gesamtsituation. Was hilft?

Erst einmal Tee. Viel Kräutertee. Ohne Zucker.

Danach ein Blick auf den Balkon nach dem Winterschlaf: Die Terrassentür weit öffnen und in die wärmende Spätnachmittagssonne hinaustreten. Das Gesicht gen Himmel halten, die Wärme auf der Haut spüren und dabei die Augen schließen. Nach all den Pflanzen in den Töpfen schauen und endlich mal ‚Hallo‘ sagen. Immerhin ist schon April. Staunen: Im Hochbeet grünt es überraschend üppig. Der Waldmeister vermehrt sich schon prächtig, der Lavendel zeigt neue Triebe und die Pfefferminze riecht aromatisch, als ich vorsichig an ihren frischen Blättern reibe. Im Topf an der Hauswand reckt sich die robuste Kiwi aus dem kurzen Stielstumpf, und kleine Knospen treiben aus einem Stämmchen im Nachbarkübel. Es ist egal, dass ich nicht weiß, wie die Pflanze heißt. Ich schaue fasziniert auf die winzigen Kügelchen, die sich aus dem scheinbar toten grauen Holz schieben.
Das Allerbeste: Mein Oleander zeigt Leben. Ich hatte bei diesen zwei immer prächtig blühenden Büschen mit weißen und pinken Blüten schlichtweg vergessen, sie im Herbst mit Folie einzuwickeln oder im Winter ins Haus zu holen. Nach der extremen Kälte im Februar hingen ihren Blätter braun und papiern an den Zweigen und ich hatte nur eine Chance: die Pflanzen mit einem Radikalschnitt zur beinahe Pixie-Frisur vielleicht doch noch retten zu können. Und nun erfüllt sich diese Hoffnung und auch hier sprießen winzig grüne Ansätze aus den Stämmchen. Ich weiß, dass es Jahre dauern wird bis sich die Oleanderbüsche wieder in alter Pracht zeigen oder gar blühen werden. Aber das Warten ist es wert, wenn ich sie nur bei mir behalten darf. Sie sind Erinnerungen an mein neues Leben nach dem Ehe-Aus vor sieben Jahren und ihr Verlust hätte mich schon sehr geschmerzt.

Also hocke ich mich nieder und zupfe und schiebe und schaue an allen meinen Pflanzen herum, die den Winter gut geschafft haben und nun mit mir in den Sommer gehen mögen und freue mich das erste Mal heute richtig und vergesse den doofen Tag.

Mit diesem Gefühl habe ich noch eine Idee: Für mein zukünftiges Büro nehme ich eine Pflanze, die ich vergangenes Jahr aus einem kleinen Blättchen zu einem üppigen Grün gezogen habe und die nun bald prächtig blühen wird, vom Fensterbrett über meinem Schreibtisch. Morgen werde ich sie an ihren neuen Platz tragen.

Und schon sieht die Welt ein großes Stück weit freundlicher aus.

Alles Liebe
Eliza